Wie verhalte ich mich im Gottesdienst?
Du warst noch nie oder lange nicht mehr in einer Kirche, möchtest aber mal einen Gottesdienst besuchen? Vielleicht wurdest Du durch einen Film oder die Erzählungen eines Freundes neugierig? Oder Du bist zu einer kirchlichen Hochzeit oder Taufe eingeladen, weißt aber nicht, wie Du Dich verhalten sollst? Hier kommen einige praktische Tipps und Hinweise zum Besuch einer Kirche.
Gottesdienste sind öffentliche Veranstaltungen, die jeder besuchen darf. Es gibt keine Zugangsvoraussetzung und eine Anmeldung ist in der Regel nicht erforderlich (In der Corona-Zeit gab es Ausnahmen). Auch die Mitgliedschaft in einer Kirche ist dafür nicht notwendig. Vielmehr freuen sich wohl alle Gemeinden über jeden Teilnehmer – und auch besonders über die Überraschungsgäste.
Das Glockenläuten ist etwas, das viele Menschen mit der Kirche verbinden. Und tatsächlich läuten die Glocken vor jedem Gottesdienst etwa zehn Minuten lang. Damit soll die Gemeinde zum Gottesdienst zusammengerufen werden. Eine Tradition, die auf Zeiten zurückgeht, als es noch keine Armbanduhren und digitale Gedächtnisstützen gab. Zugleich sind die Glocken so etwas wie ein Ruf zu Andacht und Besinnung: Jetzt beginnt eine Zeit, in der die Alltagsgeschäfte ruhen und der Blick nach Innen und zu Gott geht.
Von der Kirchentür bis zu Deinem Sitzplaz
Oft wirst Du an der Tür vom Pfarrer, der Pastorin oder auch Kirchenvorstehern begrüßt. Manchmal bekommst Du ein Gesangbuch oder Liedblatt in die Hand gedrückt, ansonsten nimm es Dir vom Stapel am Eingang. Beim Betreten einer Katholischen Kirche siehst Du ein Weihwasserbecken an der Tür. Katholiken benetzen ihre Finger damit, um sich zu bekreuzigen. Sie führen die rechte Hand von der Stirn zur Brust und von der linken zur rechten Schulter. Dabei sprechen sie die Worte: „Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, Amen.“ Damit drücken sie ihre Bereitschaft zum Gottesdienst aus und den Wunsch, von Gott gesegnet zu werden.
Und dann suchst Du Dir einen Platz. Viele streben in die hinteren Reihen, aber das muss nicht sein. Trau Dich ruhig, einen Platz im vorderen Bereich zu suchen. Dort siehst und hörst Du mehr und es tut der Atmosphäre im Gottesdienst gut, wenn nicht alle „in Deckung gehen“. Es ist auch keineswegs verboten, sich zu anderen in die Bank oder Stuhlreihe zu setzen – im Gegenteil, die meisten wird das freuen!
Regelmäßige Kirchgänger bleiben häufig einen Moment lang an ihrem Platz stehen, um zur Ruhe zu kommen und sich auf Gott auszurichten, bevor sie sich hinsetzen. Du kannst das übernehmen, aber das ist kein Muss! Wenn die Glocken verklingen, beginnt der Gottesdienst mit einem Musikstück von der Orgel, dem Klavier oder auch einem Chor. Diese Eingangsmusik dient der inneren Einstimmung und setzt den feierlichen Rahmen eines Gottesdienstes. Du darfst einfach zuhören und genießen!
Begrüßung und Eingangsliturgie
Nach dem ersten Musikstück eröffnet der Pastor (Pastorin/Pfarrer/Pfarrerin) oder ein ehrenamtlicher Prediger (Lektor/Prädikant) den Gottesdienst. Der Pastor leitet durch den Gottesdienst, oft gemeinsam mit Kirchenvorstehern oder einem Gottesdienstteam. Er ist damit zugleich eine Art Moderator, an dem Du Dich immer orientieren kannst. Er sagt an, was zu tun ist, wann Du mitsprechen sollst oder auch, wann die Gemeinde steht oder sitzt.
Die Begrüßung besteht aus freien Worten, die in das Thema des Gottesdienstes einführen und meist ein oder zwei zentrale Gedanken zum Tag beinhalten. Verbunden ist sie mit dem „Votum“ – einer Formel, die auf den Anfang des Christentums zurückgeht. Mit den Worten „Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes“ wird deutlich, wer im Gottesdienst im Mittelpunkt steht. Damit drückt die Gemeinde aus, dass sie von Gott erwartet und erhofft, dass er im Gottesdienst präsent ist und wirkt: Gottes Dienst an den Menschen.
Die Abläufe – sehr verschieden und doch ähnlich
Und dann gilt: Lass einfach alles auf Dich wirken – und orientiere Dich im Zweifelsfall am Pastor oder auch dem Sitznachbar, was zu tun ist. Falsch machen kannst Du eigentlich nichts. Der erste Teil eines Gottesdienstes ist von Gebeten geprägt, etwa einem Psalm, der gemeinsam im Wechsel zwischen Pastor und Gemeinde gesprochen wird. Wenn ein Psalm oder Gebet aus dem Gesangbuch gesprochen wird, findest Du die Nummer auf einer Liedtafel im vorderen Bereich der Kirche – oder die Texte werden per Beamer auf eine Leinwand projiziert. Das Gleiche gilt für die Lieder, die gesungen werden.
In der traditionellen Form der evangelischen und katholischen Gottesdienste gibt es feste Bestandteile, die immer wiederkehren – etwa bestimmte Gesänge wie das „Ehre sei dem Vater“. Diese mit dem griechischen Wort „Liturgie“ (= Ordnung, Ablauf) genannten Elemente entfalten ihren Reiz, wenn man sie schon gut kennt. Außenstehende können sie auch abschrecken. Lass Dich davon nicht irritieren. Du kannst versuchen, diese Gesänge mitzusingen oder sie einfach auf Dich wirken lassen – das ist auch in Ordnung.
Lesungen und Predigt
Nach dem Eingangsteil mit Gebeten und Liedern folgen eine oder mehrere Lesungen von Bibeltexten. In den meisten Gemeinden stehen die Besucher zu den Lesungen auf, um ihren Respekt vor der Schrift und vor Gott selbst auszudrücken. Ein weiterer Aspekt: Menschen müssen sich vor Gott und seinem Wort nicht klein machen, sondern sie können aufrecht vor ihm stehen und sich ansprechen und berühren lassen. Die Lesungstexte folgen einer bestimmten Ordnung, die sich alle sechs Jahre wiederholt. Meist werden Abschnitte aus dem Alten und dem Neuen Testament gelesen, die thematisch zusammenpassen. Die Texte bleiben meist unkommentiert und Du kannst Dir eigene Gedanken dazu machen.
Nach der Lesung des Evangeliums folgt normalerweise das gemeinsam gesprochene Glaubensbekenntnis. Es gibt mehrere Bekenntnisse, die auf die Frühzeit der christlichen Kirche zurückgehen. Gesprochen wird meist das Bekannteste: das Apostolische Glaubensbekenntnis. Der Text ist auch auf der vorderen oder hinteren Seiten des Gesangbuchs abgedruckt. Es steht Dir aber auch frei, das Glaubensbekenntnis nicht mitzusprechen.
Gute Gedanken fürs eigene Leben mitnehmen
Nach einem weiteren Lied folgt die Predigt, in der Regel zwischen 10 und 20 Minuten lang. Der Pastor legt einen Bibeltext aus, entfaltet ein bestimmtes Thema oder spricht über besondere Anlässen wie Taufe, Konfirmation oder einem Jubiläum. Dabei geht es im Idealfall weniger um die Privatmeinung des Predigers, sondern um die Auslegung biblischer Texte und deren Anwendung auf das Leben der Gemeindeglieder und auf bestimmte Situationen. Du darfst hier einfach zuhören. Nicht immer spricht jeden Gottesdienstbesucher jeder Aspekt einer Predigt an. Vielleicht nimmst Du aber einen wertvollen Gedanken oder einen Impuls für den Alltag mit?
Nach der Predigt folgt ein Lied, während dem jeder das Gehörte nachwirken lassen und den eigenen Gedanken nachhängen kann. Vielleicht magst Du etwas in einem stillen Gebet vor Gott bringen. Im Anschluss kommen oft die Mitteilungen an die Gemeinde – auch „Abkündigungen“ genannt, weil sie vom Lesepult „herab“ verkündigt werden. Dabei geht es um kommende Termine und Veranstaltungen, Sterbefälle oder Geburtstage in der Gemeinde und Ähnliches. Im darauf folgenden Lied geht der Klingelbeutel oder ein Kollektenkörbchen herum, in den oder das jeder nach eigenem Wunsch und Ermessen eine Spende geben kann.
Abendmahl und Eucharistie – die feinen Unterschiede
Alle Christen feiern das Abendmahl in Anlehnung an das letzte Mahl Jesu mit seinen Jüngern. In der Katholischen Kirche ist es das zentrale Element und der Höhepunkt jeder Messe (so heißt der Gottesdienst bei den Katholiken). Wenn Du kein Katholik bist, solltest Du Dich informieren, wie die katholische Eucharistie für Nicht-Katholiken gehandhabt wird. In der Regel können Nicht-Katholiken an der Kommunion nicht teilnehmen, aber Du kannst dennoch zur vordersten Reihe gehen, die Arme über die Brust legen und vom Priester einen Segen empfangen. Viele Katholiken knien sich während der Vorbereitung zur Eucharistie auf eine Kniebank.
In der Evangelischen Kirche ist das Abendmahl in der Regel offen für alle getauften Christen jeder Konfession. Während die katholischen Gläubigen ein "Wandelabendmahl" feiern, zu dem die Gläubigen der Reihe nach in den vorderen Bereich gehen, bilden die evangelischen Christen häufig einen (Halb-)Kreis um den Altarraum. Der größte Unterschied ist, dass Evangelische sowohl Wein(-traubensaft) als auch Brot gereicht bekommen. Bei Katholiken ist der Messwein den Priestern vorbehalten. Auch beim Thema Abendmahl gilt, dass Du den Informationen vor Ort folgen bzw. auf die Mitfeiernden im Gottesdienst achten kannst – dann weißt Du, was zu tun ist.
Gebet für die Welt, die Gemeinde und sich selbst
Dann folgen noch die Fürbitten, oft vom Pastor und Kirchenvorstehern gemeinsam gehalten. Dazu stehen die Gottesdienstbesucher noch einmal auf, wiederum als Zeichen der Ehrerbietung und der Demut vor Gott. Inhaltlich umspannen die Fürbitten ein weites Feld: Gebet für die Welt und aktuelle Ereignisse, für Kirche und Gemeinde und auch ganz persönliche Themen und Anliegen. In vielen Fällen antwortet die Gemeinde auf die einzelnen Bitten mit einer Art Kehrvers, zum Beispiel „Herr, erbarme dich.“ Das wird vorher mitgeteilt. Nach den Fürbitten folgt das Vaterunser – das bekannteste Gebet, das auf Jesus selbst zurückgeht.
In der Regel bleibt die Gemeinde nach Fürbitten und Vaterunser noch stehen, um abschließend den Segen zu empfangen. Der Pastor spricht den Segen mit ausgebreiteten Armen. Das symbolisiert, dass Gottes Wohlwollen, Schutz und Begleitung allen gilt. Schließlich nehmen die Besucher noch einmal Platz für ein letztes Musikstück. Wenn der Pastor zur Kirchentür geht, ist das für alle Besucher das Zeichen, ebenfalls aufzustehen.
Es ist schwer, etwas falsch zu machen
Du siehst: Auch Erst- oder Gelegenheitsbesucher können einen Gottesdienst getrost auf sich zukommen lassen und ihn auf sich wirken lassen. Wer den Worten und dem Handeln des Pastors folgt, weiß in der Regel, was zu tun ist. Heutzutage halten viele Gemeinden auch einen kleinen Gottesdienstablauf in handlicher Form bereit oder haben ihre Liturgie so weit vereinfacht, dass man ihr ohne Vorwissen leicht folgen kann. Insbesondere seit der Corona-Epidemie sind viele evangelische Gottesdienste deutlich einfacher und gut nachvollziehbar gestaltet – oft ähnlich wie in manchen Freikirchen.
Es sind eigentlich eher grundlegende Dinge, auf die man achten sollte – die aber genauso im Konzert oder bei einem Vortrag selbstverständlich sind: Ordentliche Kleidung etwa. Handys sollten am besten stumm oder ausgeschaltet sein, auch Tippen während des Gottesdienstes ist tabu. Essen und Trinken sind nicht üblich. Gespräche mit den Banknachbarn stören und auch offensichtlich zur Schau gestelltes Desinteresse zeugt nicht von großem Respekt. Umgekehrt ist es ein großes Zeichen der Wertschätzung der Kirche, der Gemeinde und den anderen Gottesdienstbesuchern gegenüber, wenn Neulinge versuchen, sich auf das Geschehen einzulassen: Singe also gerne mit, auch wenn nicht jeder Ton sitzt und sprich den Psalm mit, auch wenn das zunächst ungewohnt ist.
Durchaus willkommen ist, vor oder nach dem Gottesdienst das Gespräch zu suchen – mit dem Pastor, aber auch anderen Gottesdienstteilnehmenden. Du darfst Fragen stellen und Rückmeldung geben, Dich austauschen. Manche Gemeinden bieten dafür sogar ein „Kirchencafé“ an. Denn Gottesdienst ist vor allem eines: Gemeinschaft – mit Gott und mit anderen Menschen. In erster Linie geht es also nicht darum, alles schon zu wissen oder möglichst richtig zu machen – sondern um Beziehung und Begegnung.